Als wir 2013/2014 unseren ersten VW Bus zum Campervan ausgebaut haben, war der Begriff „VANLIFE“ im deutschen Sprachgebrauch noch überhaupt nicht etabliert. Wir hatten einfach Spaß an der Sache und haben uns keine Gedanken gemacht, ob es einen Begriff dafür gibt und wenn ja – welchen.
Surfer fahren schon seit 20 oder 30 Jahren mit ihren Bussen in der Weltgeschichte herum, bauen sie aus und sind damit in jeder freien Minute unterwegs. Dafür hat es auch nie einen Begriff benötigt, sondern Surfer und Busse gehören einfach zusammen.
Da wir für unsere Hobbies Kitesurfen und Stand Up Paddling viel Platz zum Materialtransport brauchen und auch mal an Orten übernachten wollten, an denen es zwar Wind und Meer oder Seen gibt, aber keine Unterkünfte, war es für uns schlichtweg notwendig früher oder später einen Bus zu besitzen. Wir haben nie daran gedacht, dass man in dem Van auch leben könnte oder dieser ganze Lifestyle einen derart großen Hype erlebt.
Den zweiten VW Bus Ausbau haben wir ganz detailliert am Blog dokumentiert und auch ein E-Book zu diesem Thema verfasst. Auch 2015 haben wir uns noch keine großen Gedanken darüber gemacht, wie man das bezeichnen könnte, für uns war es schlicht der weitere Ausbau eines VW Busses.
Seit ungefähr 2016 verfolgen wir, wie der Begriff „VANLIFE“ auf Social Media sich entwickelt hat und plötzlich gefühlt jeder zweite ein „Vanlifer“ sein will. Leute, denen Camping früher ein Graus war, kaufen sich plötzlich einen alten T3 und investieren immens viel Zeit in das Aufhübschen ihres Gefährts. Uns war es nie wichtig, dekorative Pflanzen im VW Bus zu haben oder die Möbel mit der schönsten DS Folie zu überziehen. Wir wollten einfach ein verlässliches Gefährt haben, das uns viel Stauraum und den nötigen Komfort bietet, um tolle Reisen in Europa zu machen und dort stehenzubleiben und zu arbeiten, wo es uns gefällt.
Irgendwie haben wir aber den Eindruck, dass das Thema Vanlife ganz seltsame Auswüchse annimmt und viel zur romantisch auf Social Media dargestellt wird. Interessanterweise treffen wir unterwegs fast nur andere VW Bus oder Campervan Besitzer, die ihren Bus super durchdacht, zweckmäßig, mit viel Stauraum und den notwendigen Vorrichtungen zum Autark campen eingerichtet haben.
Diese Busse – hauptsächlich treffen wir natürlich Surfer, die an denselben Spots unterwegs sind wie wir – werden für ihren Zweck viel genutzt, verwendet und dementsprechend ist auch mal Sand am Boden oder der Neoprenanzug trocknet gerade hinten auf dem Fahrradträger. Jeder dieser Surferboys und Surfergirls liebt seinen Bus und war schon an vielen tollen Orten damit. Wir finden das total cool und freuen uns immer über jeden, der uns mit Stolz von seinem Bus erzählt, ihn mit Flaggen und Aufklebern von jedem Ort verschönert, an dem man schon war und uns von unzähligen Abenteuern mit dem Bus berichtet. Das ist noch real „VANLIFE“.
Diese hübschen und blitzblank sauberen Vans, die man vielfach von Pinterest Fotos kennt, mit vielen grünen Pflanzen, Blümchen, Deckchen, Schnickschnack, sind uns tatsächlich noch nie „on the road“ begegnet. Weil sie auch einfach unpraktisch sind. Wer will denn schon jedes Mal zehn kleine Töpfchen mit Zimmerpflanzen verstauen müssen, wenn man zehn Kilometer weiterfährt?
Wir haben derzeit wirklich das Gefühl, dass solche Busse nur (zum Großteil von Firmen) ausgebaut werden, um auf Social Media Reichweite zu erhalten und niemand damit auch nur einen Kilometer
fährt, geschweige denn darin lebt. Zufälligerweise sind die Mädels und Jungs auf diesen Fotos nämlich auch immer extrem gut aussehende Menschen, die immer einen tollen Platz mit einer wahnsinnig
spektakulären Aussicht finden und man kann immer die Hecktüre offen lassen um rauszuschauen, ein Lagerfeuer machen und sich mit seiner VANLIFE Gang für mehrere Tage dort komplett ungestört
niederlassen. Die Plätze soll uns mal jemand zeigen.
(Anm: Ich habe mal auf den Stockfoto-Bilderplattformen - also dort wo man Fotos kaufen kann - recherchiert. Und man findet ganz viele tolle, teure Fotos mit hübschen Menschen im Van, die dann mit Begriffen wie "hübsche, blonde Frau im Van" vertaggt sind. Auf den kostenlosen Bilderplattformen, also dort wo auch Hobbyfotografen Fotos zur freien Verfügung stellen, gibt es keine solchen Fotos. Das stützt auch so ein bisschen meine Annahme, dass diese hübsch dekorierten Vans ausschließlich von Firmen genutzt werden, die auf dem Hype des Lifestyles "Vanlife" mitschwimmen möchten. Wer diese Fotos sehen möchte, der suche einfach nach "Vanlife" auf den Bilderplattformen.)
Es ist nämlich eher das Gegenteil der Fall. Die Suche nach Übernachtungsplätzen gestaltet sich als schwierig, man möchte ja nicht auffallen und von der Polizei vertrieben werden, denn in den meisten europäischen Ländern sind die Wildcamper ein gar nicht so gern gesehenes Volk. Zum Beispiel im Juli und August auf Sardinien, wenn Müll und Fäkalien von den so genannten „Vanlifern“ zurückgelassen werden und die Einheimischen bei jedem Van oder Camper die Augen verdrehen oder wie in Beauduc, das für die größeren Gefährte schon gesperrt wurde, weil dort eine regelrechte Anarchie eingezogen ist. Auch von der portugiesischen Algarve wurde letztens berichtet, dass man härtere Maßnahmen gegen Wildcamper und Vanlifer jetzt durchführen möchte.
Wer schon mal irgendwo neben der Straße übernachtet hat und ein ungutes Gefühl hatte, die Augen zuzumachen, der weiß, dass man eben in den allerseltensten Fällen an einem unberührten Ort steht und mit offener Hecktür und Blick auf das Meer übernachtet. Solche Plätze gibt’s noch in Finnland und Norwegen – dort ist es aber meist zu kalt für die offene Hecktür – aber ansonsten sucht man diese Plätze oft vergeblich.
Ein weiterer Punkt, der romantisiert wird: Wenn sich dein ganzes Leben in einem Bus befindet, der von einer professionellen Bande in weniger als 30 Sekunden geknackt und ausgeraubt werden kann – wie gerne lässt du deinen Bus dann für mehrere Stunden unbewacht zurück? Ganz oft führt also Vanlife eben nicht an einem Campingplatz vorbei, auch wenn einem das gerne vorgelebt wird, dass man eh immer und überall stehen kann. Wenn es aber einfach keinen gescheiten Platz zum Übernachten gibt, man Wäsche waschen muss oder den Van einfach mal unbeaufsichtigt lassen möchte ohne Angst zu haben, dann wählt man dann doch oft einen „uncoolen“ Campingplatz.
Am Campingplatz. Mit nassem Neopren am Spiegel, der nicht trocken werden will und einem vollen Müllbeutel, der noch entsorgt werden muss. Dann soll auch noch bei 5 Grad Außentemperatur gekocht werden. Vanlife ist nicht immer romantisch.
Auf den Social Media Kanälen wird auch nie berichtet, wie diese ganzen hübschen Vanlifer ihre Campingtoiletten ausleeren oder nach drei Tagen riechen, wenn Campingdusche ihren Geist aufgibt. Oder wie man ganz unromantisch sein Geschirr spülen muss, wenn man keinen Geschirrspüler hat, sondern ein faltbares Geschirrspülbecken, für das man hoffentlich noch genügend warmes Wasser hat. Es hat unter null Grad und die Standheizung fällt aus? Dann kann es ziemlich schnell ungemütlich im Van werden!
Und die echten „Vanlifer“, die wirklich rund ums Jahr im Bus oder Van leben, erzählen uns auch genau von solchen Problemen und nicht, wie man den Tisch im Bus heute wohl schön dekoriert und welche Bilder man heute wohl an der Wand im Van aufhängt. Weil das nämlich keiner macht!
So sieht es bei uns im Bus aus, wenn es mal regnet, wir unterwegs sind und trotzdem ein Projekt fertig werden muss.
Ganz ehrlich: Eher nicht. Aber vor allem aus dem Grund, dass wir einfach nicht Vollzeit in einem Van leben und das auch nicht wollen. Wir leben von April bis September großteils in unserem VW Bus Luigi und lieben dieses Leben. Genauso sehr lieben wir es aber im Herbst Richtung Süden zu fliegen und mehrere Monate in einem Apartment in Südafrika zu leben. Winter in Europa im Van? Ganz ehrlich, das wäre nichts für uns. In einem großen Wohnmobil in Südeuropa überwintern – womöglich, aber rund ums Jahr in unserem kleinen Bus?
Das können wir uns tatsächlich nicht vorstellen. Wir lieben einfach die Abwechslung und sind auch der Meinung, dass bei einigen Ländern „Vanlife“ auch nicht die richtige Reisemethode ist. Aber wollen wir deshalb dieses Land nicht erkunden? So schön Europa ist: auch außerhalb gibt es tolle Länder, bei denen vielleicht ein Mietauto und die Übernachtung in Bed & Breakfasts die bessere Wahl ist.
Aber das bleibt natürlich jedem selbst überlassen!
Wir sind auch nicht die Menschen, die sagen: Wir machen jetzt nur noch eine Sache und alles andere nicht mehr. Genauso verhält es sich mit unserem Bus. Wir freuen uns im Frühling schon wie
verrückt auf die ersten Nächte im Bus, wenn es endlich wieder los geht, aber genauso freuen wir uns auch im Herbst auf unser nettes Appartement in Kapstadt.
Unser Tipp für dich: Wenn du einen VW Bus oder einen anderen Van ausbauen willst, dann lass dich inspirieren, aber lass dich nicht verrückt machen von all den hübschen, aber unpraktischen Ausbauten auf Social Media, sondern baue einen Bus, der dir gefällt und für deinen Zweck passt! Einen Van zu besitzen ist eine fantastische Sache, aber lass dich nicht blenden, denn ein Leben im Van ist nicht nur schön und romantisch, sondern bringt auch diverse Schwierigkeiten mit sich! Genieß einfach die Fahrten und die Freiheit, die ein Van mit sich bringt!
Und sei nicht enttäuscht, wenn du am Anfang nicht gleich den besten Übernachtungsplatz am Meer findest! Und auch die, die das ganze Jahr über im Van leben, müssen ihr Leben finanzieren und reisen nicht nur von einem Instagram Spot zu nächsten. Nur weil man im Van lebt, heißt das nämlich nicht, dass man ausschließlich von Luft und Liebe leben kann!
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